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Eine große Klette, auch im welken, trockenen Zustand gut zu erkennen an den Früchten, der Wuchsform und den Pflanzenstengeln.

Thymian - Thymus serphyllum

PLANTibiotika - wie pflanzliche Antibiotika wirken

 

Meist werden in wissenschaftlichen Studien nur die isolierten monomolekularen Reinsubstanzen verwendet, die die stärkste Wirkung gegenüber Bakterien zeigen. In vielen Fällen geschieht diese Überprüfung der Wirkung gegen Bakterien in vitro, also in der Kulturschale - und oft zeigt sich da ein sehr starker keimtötender Effekt, der Hoffnung macht, aus der Reinsubstanz dann ein Antibiotika zu gewinnen.

Leider kommt es aber dann häufig vor, dass bei den Untersuchungen am lebenden Organismus nur eine schwache oder keine keimhemmende (bakteriostatische) oder bakterizide (keimabtötende) Wirkung nachgewiesen werden kann bzw. die Konzentrationen des Wirkstoffs derart hoch sein müssten, dass auch starke, das Zellgewebe schädigende, Nebenwirkungen auftreten.

Ebenfalls ein Faktor für die Wirksamkeit ist die sogenannte Bioverfügbarkeit einer getesteten Reinsubstanz, denn oft wird sie einfach nicht in der Menge vom Darm resorbiert, dass nennenswerte Konzentrationen im Blut entstehen können und daher wirken sie dementsprechend schwach oder gar nicht bei auftretenden Infektionen.

Und natürlich besteht bei Mono-Reinsubstanzen – auch wenn sie pflanzlichen Ursprungs sind – die Gefahr einer Resistenzbildung.

Darum haben Forscher eines Reviews vieler Studien zu diesem Thema mal geschaut, wie Pflanzen das eigentlich machen, wie und auf welche Art sie Antibiotika gegen ihre Schadbakterien herstellen.

Und jetzt wird es interessant:

Die Pflanzen stellen nicht nur einzelne Mono-Reinsubstanz her, sondern auch deren chemischen Vorstufen, sowie viele andere antibiotisch wirkenden Verbindungen und deren Vorstufen.

Dabei sind die Konzentrationen dieser vielfältigen Wirk-Stoffe, die die Pflanze gegen einen Bakterienangriff einsetzt, wesentlich geringer, wie in der oben beschriebenen Kulturschale – und trotzdem werden die Schad-Bakterien in ihrem Wuchs gehemmt oder getötet (letzteres muss aber nicht unbedingt der Endeffekt sein! – dazu gleich mehr!).

Es gibt in der Biologie den Begriff der sogenannten Synergie, das bedeutet, das zwei oder mehrere Substanzen auch in geringer Konzentration einen gleichen oder sogar größeren Effekt haben können, wie die monomeren Reinsubstanzen. Und dies scheint bei der Bakterien-Abwehr der Pflanzen eine große Rolle zu spielen!

Um es bildlich darzustellen, auch wenn ich martialisch eigentlich nicht mag: Anstatt mit einer großen Kanone zu schießen, nehme ich viele verschieden vergiftete Pfeile; ein Pfeil macht nur einen geringen Schaden, aber wenn möglichst viele verschiedene Pfeile mein Ziel treffen, ist der Effekt ähnlich oder gar besser, als mit der Kanone zu schießen.

Und so machen es auch die Pflanzen: Sie produzieren manchmal bis zu 100 Einzelsubstanzen, die für sich alleine ein Schad-Bakterium nur leicht schädigen, in ihrer Menge und Zusammensetzung aber dazu führen können, dass das Bakterium sich nicht mehr vermehren kann oder abgetötet wird.

Dabei ist Letzteres nicht unbedingt nötig, da eine Wachstums- und Vermehrungshemmung (= bakteriostatische Wirkung) bedeutet, dass solche Bakterien und Pilze, mit denen die Pflanze symbiotisch oder saprophytisch lebt (also Bakterien, die die Pflanze besiedeln, ihr aber keinen Schaden zufügen!), sich besser vermehren und somit die Schad-Bakterien verdrängen können, weil sie ihnen die Nahrung wegessen.

Und das ist dann auch der Clou bei der Sache, wenn´s um die Anwendung der PLANTibotika bei tierischen Organismen geht: Ganzpflanzenpräparate, also Extrakte oder Extraktmischungen verschiedener Pflanzen, wirken nicht direkt antibiotisch, also bakterizid/bakteriostatisch, sondern indirekt!

Entweder können Schad-Bakterien dadurch von z.B. vom menschlichen Immunsystem besser oder schneller identifiziert werden; und das Immunsystem hat mehr Zeit, sich auf eine Infektion einzustellen, zu reagieren - oder unser Mikrobiom (also die Bakterien, Pilze, Viren die mit, auf und in uns koexistieren) kann den Schad-Organismen einfach die Nahrungsgrundlage entziehen.

Ein weiterer Vorteil (sowohl für die Pflanzen also auch für den Menschen): Resistenzen gegen einzelne Stoffe sind nicht mehr so wichtig, weil ein Schadbakterium möglicherweise während der Behandlung mit dem Mischpräparat bzw. der Freisetzung der verschiedenen Wirkstoffe durch die Pflanze, gegen 1 – 10 Stoffe resistent werden kann, aber nicht gegen alle Substanzen - und damit immer noch soweit gehemmt wird, dass ein effektiver bakterizider oder bakteriostatischer Effekt verbleibt.

Und – grandios! – Pflanzen können solche Resistenzen erkennen und sie produzieren dann eben in der Gegenreaktion einen anderen „Wirkstoff-Cocktail“, auf den sich das Schadbakterium erst wieder einstellen muss – was bedeutet, dass es eine Resistenz gegen eine Einzel-Substanz auch wieder verlieren kann, weil sie in diesem neuen "Wirkstoff-Cocktail" gar nicht mehr vorhanden ist!

Dies könnte u.a. der Grund dafür sein, dass in angebauten/gesammelten Heilpflanzen unterschiedliche Haupt-Wirkstoff-Konzentrationen und deren Vorstufen (je nach Bodenbeschaffenheit, Region, Witterung, Erntezeitpunkt usw.) enthalten sind – hier gibt es z.B. Untersuchungen, dass Johanniskraut in manchen Jahren nur sehr wenig Hypericin produziert, weswegen sich der Öl-Extrakt nur wenig oder gar nicht rot verfärbt!

Natürlich bedarf diese Betrachtung einer gründlicheren Untersuchung, aber ich finde das Ganze als einen sehr interessanten Ansatz, der vielleicht das Resistenz-Problem von monomolekularen Antibiotika zumindest abschwächen könnte.

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